Fr., 19.05.2017
Um 09:15Uhr lösen wir die Leinen. Frühstück gibt es wie meistens auf See. Wir werden mit strahlendem Sonnenschein belohnt und auch die Windrichtung und Stärke sind wie angesagt. Nach gut einer Stunde unter der Yanmar-Fock setzen wir unsere Segel und es geht mit gut 6,5 Knoten gen Estland. Heute steht mal wieder das Optimieren der Flagge auf dem Arbeitsplan. Mittlerweile hat sie schon einen Zentimeter an Länge eingebüßt und ist leicht gefast. Auch Brutus hat seinen Dienst aufgenommen und versorgt unsere Batterien. Zum Sonnenuntergang um 21:02Uhr verlässt uns auch der Wind und wir schmeißen den Motor an. Drei Stunden später erreichen wir die Südspitze von Sääre/Sörve in Estland. Unbemerkt hat man uns eine Stunde Zeit geklaut. Nordwestlich am Horizont befindet sich immer noch ein heller Streifen und es wird nicht gänzlich dunkel. Gegen 03:45Uhr erhebt sich der Mond rötlich gefärbt im Osten aus dem Wasser. Kurz nach 4Uhr ist es schon wieder richtig gut hell, im Nordosten verfärbt sich der Himmel rot, bevor die Sonne gegen 5Uhr wieder aus dem Wasser tritt.
Sa., 20.05.2017
Mit einem Blick auf den Wetterbericht haben wir uns zwischenzeitlich entschlossen nicht den Hafen von Roomassare gegen Morgen anzulaufen, sondern noch nach Kuivastu auf der Insel Muhu durchzufahren, in der Hoffnung nochmal die Segel setzen zu dürfen. Gegen 7Uhr gibt es Rührei mit Bratkartoffeln und Speck zum Frühstück. Gut, dass die Dosen erfunden wurden😋. Es bleibt spiegelglatt bis ca. 12sm vorm Hafen, dann bekommen wir ihn mit 3-4Bft. auf die Nase. Nach knapp 30 Stunden und 179sm erreichen wir unser Ziel gegen 15Uhr. Als wir um die Kaimauer fahren empfängt uns der Hafenmeister freundlich einen Platz zuweisend. Mit uns zusammen läuft noch ein zweiter Segler ein, kaum zu glauben, aber am Heck hängt die italienische Flagge. Auf dem Weg ins Hafenmeisterbüro stellen wir fest, dass die Deutsche Flagge gehisst ist😮 und der Hafenmeister die Mülltonne für unseren Müll inspiziert. Auf italienische Gäste ist man flaggentechnisch nicht vorbereitet. Mittlerweile ist es so warm, so dass wir im T-Shirt rumlaufen und ein Eis genießen.
So., 21.05.2017
Geweckt von der Sonne schälen wir uns aus der Koje. Die dicken Klamotten bleiben heute unter Deck. Wir laufen aus und finden wieder einen Ententeich vor. Nach gut einer Stunde können wir die Segel setzen und treiben mit 2,5 bis 4Kn gen Dirhami. Sonntagssegeln ist angesagt! Die Freude darüber ist nur kurz, denn dann schläft der Wind für den Rest des Tages mal wieder ein und kommt auf den letzten Seemeilen vorm Hafen mal wieder von vorn. Im Hafen werden wir wie schon am Vortag vom Hafenmeister begrüßt, der uns auch gleich beim Anlegen behilflich ist. Wir füllen unsere beiden Reservekanister auf und begeben uns zu Fuß in das gefühlte 20 Seelendorf. Dort ergattern wir trotz der späten Stunde in einem kleinen Kaufmannsladen noch geräucherten Fisch, ein leckeres Knoblauchbrot und zwei Flaschen Bier zum Abendbrot.
Mo., 22.05.2017
Auf nach Tallinn🙂. Ein ca. 50sm Törn liegt vor uns, die Sonne scheint und es sind W4/5 Bft. angesagt, eigentlich geniale Bedingungen. Beim Auslaufen läuft die erste deutsche Yacht, eine Dehler 35, in Dirhami zum Auftanken ein und begleitet uns anschließend in sicherem Abstand mit nach Tallinn, wo wir auch die italienische Yacht wieder sehen. Der Wettergott ist heute nach zwei Motortagen auf unserer Seite. Windrichtung und Stärke sind perfekt. Wir erreichen die Old City Marina von Tallinn nach knapp 8 Stunden. Besser geht nicht, die old Lady hat sich im Schmetterlingskurs voll ins Zeug gelegt. Am Abend zieht uns die Neugier dann doch noch in die Altstadt und wir lassen den Tag beim Bierchen im Clayhills ausklingen.
Di. – Do., 23.05. – 25.05.2017 Hafentage in Tallinn.
Di.: Zur Mittagszeit bummeln wir durch die Altstadt. Ein Meer an alten gut erhaltenen Gebäuden empfängt uns. Viele Geschäfte und Restaurants befinden sich in Kellergewölben. Irgendwann kehren wir hungrig beim Restaurant Old Hansa ein. Bier wird im Tonkrug serviert, die Speisen sind zünftig zubereitet und im Saal fühlt man sich bei Kerzenschein ins Mittelalter zurück versetzt. Auf dem Rückweg setzt Nieselregen ein und wir verkriechen uns mit einem Buch unter Deck.
Mi.: Vor dem Frühstück kommt Felix von der Dehler 35 vorbei und gibt uns einige Tipps von seinem Halbjahres-Törn im letzten Jahr mit auf den Weg. Zur Mittagszeit brechen wir zu den Markthallen hinter dem Bahnhof auf, wo es alles zu Kaufen gibt was das Herz begehrt, von Lebensmittel, Kleidung, Kunstgewerbe, Antiquitäten bis hin zum Trödel.
Der Hunger treibt uns ins F-hoone, Empfehlung von Felix, eine geniale Adresse zum Speisen. Bei uns würde es unter die Kategorie Studentenkneipe fallen, günstig und sehr gut🙂. Der Botanic Gin mit Rosenlimonade und Thymian war echt lecker. Auf dem Rückweg schauen wir nochmal in der alten Apotheke vorbei und genießen auf dem Rathausplatz ein Bier in der Sonne. Anschließend füttern wir mal wieder den Dieseltank mit 2 Kanistern und holen uns neue Reserve von der Tankstelle. Ein kurzer Besuch in dem Saunacontainer ist ernüchternd.
Do.: Der Versuch noch zwei Hafenhandbücher für den Finnischen Meerbusen und die Süd- Westküste Finnlands zu bekommen scheitert kläglich. Es gibt keinen wirklichen Segel-Shop im Hafen, lediglich ein Büro am Hafen welches Reparaturaufträge annimmt.
Wir statten dem Schloss einen Besuch ab und kehren zum Abendessen (barbecue ribs) in das Restaurant „Platz“ im Stadtviertel Rotermann ein. Das historische Stadtviertel Rotermann befindet sich im Herzen von Tallinn, im Gebiet zwischen der Altstadt, dem Hafen und dem Viru Platz. Es handelt sich um ein Stadtviertel, in dem durch neue Funktionen wiederbelebte Industriegebäude und moderne Architektur nebeneinander stehen.
Fazit:
In den drei Tagen die wir durch etliche Stadtteile Tallinns gezogen sind, bleibt das Gefühl, dass man sich auf ehemals sozialistischem Boden befindet. Ausschließlich die junge Generation trägt ein Lächeln im Gesicht und ist aufgeschlossen, während auf den älteren Gesichtern Zurückhaltung abzulesen ist. Es wird wohl noch mindestens eine Generation brauchen bis die Spuren der Vergangenheit in Estland verblassen.
Das Preis- Leistungsverhältnis der Old City Marina in Tallinn passt überhaupt nicht. Der Hafen ist zwar bewacht und liegt nur ein paar Minuten von der Altstadt entfernt, jedoch lassen die sanitären Anlagen stark zu wünschen übrig und auch von der sonstigen Freundlichkeit in den vorherigen estnischen Häfen ist nicht mehr viel zu spüren.